Die Macht des Gewöhnlichen - der Architekt Peter Grund. Erfolg und Kontinuität aus der "zweiten Reihe"

Allzu oft wird Architekturgeschichte über herausragende Werke großer Berühmtheiten erzählt. Doch was ist mit der gewöhnlichen, der alltäglichen Architektur? Auch mit ihr kann man sehr erfolgreich sein, wie das Beispiel des Architekten Peter Grund zeigt. - Wie konnte ihm dies gelingen, über alle politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hinweg? Eine soeben in der Publikationsreihe des Baukunstarchivs NRW erschienene Werkmonografie über den Architekten Peter Grund gibt verblüffende Antworten.
Mit seiner eher gediegenen Entwurfsweise sticht Peter Grund als Architekt kaum hervor. Ausnahmen, wie die 1928 bis 1930 als erste Sichtbetonkirche Deutschlands erbaute Dortmunder Nicolaikirche, bestätigen die Regel. Dennoch war Grund seinerzeit über mehrere Jahrzehnte als Architekt und Städtebauer äußerst erfolgreich. Welche Qualitäten er innerhalb des Konventionellen, Üblichen und Weitverbreiteten entwickeln konnte, zeigt ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Forschungsprojekt von Fachhochschule Dortmund, Technischer Universität Dortmund und Philips-Universität Marburg. Die Ergebnisse liegen nun in Buchform vor. Sechs Essays fördern zahlreiche Details und Neuigkeiten zu Biografie und Netzwerken, Architektur und Städtebau zu Tage und liefern ein spannendes und unerwartetes Bild eines umtriebigen Architekten aus der „zweiten Reihe“, der für viele weitere stehen dürfte.
Dortmund, Düsseldorf, Darmstadt – drei Orte, drei politische Systeme, drei Karrieren
Wer war Peter Grund? Ausgebildet in Darmstadt gegen Ende des Deutschen Kaiserreichs, wurde er während der Weimarer Republik in Dortmund Büropartner des Architekten Karl Pinno. Unmittelbar zu Beginn des „Dritten Reichs“ stieg Grund zum Direktor der Kunstakademie in Düsseldorf auf, wo ihm 1935 die künstlerische Oberleitung der „Reichsausstellung Schaffendes Volk“ übertragen wurde. Unter dem Dach dieser 1937 eröffneten großen NS-Propagandaschau plante er die zugehörige Mustersiedlung „Schlageterstadt“ (heute Siedlung Golzheim). In der Bundesrepublik Deutschland schließlich zeichnete Grund als Oberbaudirektor für den Wiederaufbau Darmstadts verantwortlich und schuf mit den Arkaden der Rheinstraße oder dem platzbildenden Kennedyhaus (heute Literaturhaus) markante Stadträume.
Revision bisheriger Forschungen
Basis der Studien bildet der Nachlass Peter Grunds, der im Rahmen des Projektes teils erst entdeckt und digitalisiert wurde. Die Originale sind im Baukunstarchiv NRW, im Stadtarchiv Darmstadt und im Architekturmuseum der TU München verortet.
Das Forschungsteam erforscht und bewertet Grunds Werk an seinen Wirkungsorten Dortmund, Düsseldorf und Darmstadt erstmals vollständig und revidiert das bisher gezeichnete Bild teils grundlegend. So lässt sich die in der Forschung bis dato vertretene These, Grund sei im Nachkriegs-Darmstadt Verfechter der autogerechten Stadt gewesen, nicht länger halten. Das Gegenteil ist der Fall, Grund war ein Gegner des stadtauflösenden Städtebaus.
Der vorliegende Band ist der erste einer dreibändigen Werkmonografie. Ein ergänzender Werkkatalog soll im Herbst 2025 erscheinen.
Bereits herausgekommen ist die Edition von Grunds Buch „Der Maßstab im Städtebau. Die Stadt als Raum“. Die versprengten Fragmente dieses Städtebau-Manuals konnten im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts erstmals rekonstruiert und ediert werden.
Renate Kastorff-Viehmann, Wolfgang Sonne, Jörg Stabenow (Hrsg.): Der Architekt Peter Grund und die Tradition in der Moderne, Band 1, Essays. Verlag Kettler, Dortmund 2025
Bereits erschienen:
Renate Kastorff-Viehmann, Wolfgang Sonne, Jörg Stabenow (Hrsg.): Der Architekt Peter Grund und die Tradition in der Moderne. Band 3, Edition: Peter Grund, Der Maßstab im Städtebau. Die Stadt als Raum [Bearbeitung Ute Reuschenberg, Wolfgang Sonne], Verlag Kettler, Dortmund 2024
Rezensionsexemplare können erbeten werden via E-Mail an ute.reuschenberg@tu-dortmund.de