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Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen

Die Thesen von Mauerbach

© Laura Reinert
Thesenpapier der Teilnehmer:innen des ersten Denkmallabors zu Zukunftsfragen des Kulturerbeerhalts

Die Thesen von Mauerbach für eine zukunftsorientierte Denkmalpflege

Im Unterschied zu früheren Epochen zeichnen sich die Umrisse unserer globalen Zukunft im Kontext der menschengemachten Klimakrise zusehends genauer ab. Sichtbar ist das Bild klimagestresster Gesellschaften, Landschaften, Städte und Bauwerke. Auch das ausgewiesene Kultur- und Naturerbe ist diesen Gefährdungen ausgesetzt. Sein Bestand ist mit den vorhandenen Instrumentarien allein nicht mehr zu gewährleisten. Wir brauchen zukunftsfähige Strategien in Politik, Gesellschaft und in der Erhaltung.

Deshalb betonen die Teilnehmer:innen des Denkmallabors in Mauerbach:

  1. Die Vergangenheit ist das Fundament der Zukunft
    Denkmale leisten einen wertvollen Beitrag, dem rein ökonomischen Wachstumsstreben entgegenzuwirken. Indem wir unser kulturelles Erbe für die Nachwelt bewahren, erhalten wir auch Techniken, Herangehensweisen und Wissen. Die Denkmalpflege lehrt uns somit eine nachhaltige und generationsübergreifende Nutzung unseres Bestands. Dieses Wissen müssen wir anwenden und allen frei zugänglich machen, um gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
  2. Ökologisches Handeln ist eine gesellschaftliche Verantwortung
    Um auf die Folgen des Klimawandels reagieren zu können, muss resilientes und ökologisch orientiertes Handeln zur einfachsten und kostengünstigsten Option werden. Eine Denkmalpflege, die im Spannungsfeld zwischen Öko- nomie und Ökologie vermittelt, sollte gestärkt werden.
  3. Wissenszugang ist ein Menschenrecht
    Das Wissen ist in den verschiedenen Forschungsbereichen weit fortgeschritten und die Expertise im Handwerk umfangreich. Gemeinsam bergen beide große Potenziale für die Gestaltung des erforderlichen Wandels. Die Vermittlung dieses Wissens ist aktuell jedoch nicht ausreichend, um eine kollektive Beteiligung und die Transformation zur Reparaturgesellschaft zu ermöglichen. Der Zugang zu Fachwissen sollte ohne finanzielle und akademische Hürden erfolgen und ausgebaut werden. Wir wollen Menschen befähigen, die nötigen Anpassungsprozesse mitzugestalten.
  4. Teilhabe stärkt die interdisziplinäre Zusammenarbeit
    Um Denkmale erfolgreich zu erhalten, ist Partizipation essenziell. Viele Menschen sollten mitreden, mitgestalten und teilhaben können und der Austausch zwischen Fachleuten und Interessierten gefördert werden, um das dringliche Thema über Expertenkreise hinaus zu verbreiten. Die Fähigkeiten und das Wissen vieler Menschen helfen, besser zusammenzuarbeiten und unsere Kulturgüter für die Zukunft zu bewahren. Nur im kollektiven Handeln lassen sich optimale Lösungen finden und über Branchen und Fachbereiche hinweg effektiv umsetzen. Um den baukulturellen Herausforderungen unserer Zukunft gerecht werden zu können, ist eine fächerübergreifende Vernetzung und multidisziplinäre Zusammenarbeit unabdingbar.
  5. Teilhabe schafft Akzeptanz
    Eine gelungene Denkmalpflege benötigt eine Vermittlung, die nicht nur kognitive, sondern auch emotionale Aspekte anspricht und es den Menschen ermöglicht, Zugang zum kulturellen Erbe zu finden. Ausschließlich auf Basis von Wissen lassen sich Teilhabe und gesellschaftliche Akzeptanz für die Belange der Denkmalpflege nicht realisieren.
  6. Eine ökologische Bauethik sichert den Kulturerbeerhalt
    Eine ökologische Bauethik wird für alle Baubeteiligten die selbstverständliche Grundlage der Planung bzw. Ausführung. Inhaltlich basiert sie auf einem Konsens der Branche zum zukunftsfähigen Bauen, insbesondere der Bestandserhaltung, dem Bauen im offenen System und der Stärkung der Resilienz des Bauwerks gegenüber zu erwartenden klimatischen Veränderungen. Der Baubestand muss mit ähnlichen Maßstäben wie die Baudenkmale geschützt, der Naturschutz deutlich ausgeweitet und das immaterielle Erbe stärker mitberücksichtigt werden.
  7. Ausbildung und Lehre müssen auf die Entwicklung des Klimawandels reagieren
    Generell reichen Standardlösungen der Vergangenheit nicht mehr aus. Der Diskurs über das Bauen im Gesamtsystem, das vom Material, dessen ökologischer Bewertung und erprobten Methoden der Erhaltung ausgeht, muss intensiviert werden. Denkmal-, Material- und Methodenwissen, sowie Klimakompetenz muss an Schulen und im Studium zur selbstverständlichen Grundlage werden.
  8. In der Klimakrise ist ein System der Katastrophen-Prävention unerlässlich
    Angesichts der zunehmenden Intensität und Häufigkeit von Starkwetterereignissen müssen frühzeitig Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, um Schäden an Baudenkmalen und deren Umgebung möglichst gering zu halten. Hierzu bedarf es einer Abstimmung aller Beteiligten bestenfalls auf einer gemeinsamen Plattform, um standardisierte Vorgehen anhand von Risikoanalysen zu entwickeln. Dazu zählt unter anderem auch die Befähigung von Privatpersonen zu vorbeugendem Handeln.
  9. Bewahren heißt heute anpassen
    Wir alle sind, als Teil der Veränderungen, verantwortlich. Diese Verantwortung erfordert eine Abkehr von einem passiven Gebrauch, hin zu einem dynamischen Zusammenwirken zwischen Mensch und Umwelt. Für die Denkmalpflege bedeutet das die Weitergabe von Bewährtem, das durch die Anpassung an neue Anforderungen lebendig bleibt. Der Erhalt von Denkmälern in ihrer Besonderheit, aber auch des baulichen, kulturlandschaftlichen und natürlichen Erbes in seiner Gesamtheit dient unserer Welt von morgen und sollte zum Vorbild einer Erhaltungsgesellschaft werden, die den Lebenswert nachfolgender Generationen sichert.

Mauerbach, im September 2024

Die Studentischen Teilnehmer:innen des Denkmallabors:

Marie Chauveau, Denkmalpflege Heritage Conservation, Universität Bamberg, Felix Daumüller, Architektur, TU Wien, Joy Donath, Digitale Denkmaltechnologien, Universität Bamberg, Barbara Gosztom, Architektur, TU Wien, Hannah Krull, Restaurierung, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Emilie Kummer, Historische Bauforschung und Denkmalpflege, TU Berlin, Laura Leinert, Architektur, TU Braunschweig, Domenika Marks, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut, TH Köln, Martin Prinoth, Architektur, TU Wien, Vanesa Mincheva, Architektur, TU Wien, Agatha Mrozek, Architektur und Städtebau, TU Dortmund, Teresa Duy Anh Nguyen, Architektur, TU Braunschweig, Hanna Loretta Röhrs, Denkmalpflege, Universität Bamberg, Bjarne Roßkamp, Raumplanung, TU Dortmund, Duncan Routh, Historische Bauforschung und Denkmalpflege, TU Berlin, Magdalena Schmid, Nutzerorientierte Bausanierung, Bauhaus Universität Weimar, Marlene Schuler, Architektur und Städtebau, TU Dortmund, Lisa Senne, Architektur, TU Braunschweig, Adrian Stibi, Architektur, TU Wien, Lea Thömen, Stadtökologie, TU Berlin

Die Referent:innen des Denkmallabors

Dr. Volker Demuth, Autor und Schriftsteller, Prof. Dipl.-Ing. Elisabeth Endres, TU Braunschweig, Dr. Bernd Euler-Rolle, Fachdirektor a.D. Bundesdenkmalamt, Astrid Huber-Reichl, Peter Hunger, Florian Kolar, Karl Stingl, Bundesdenkmalamt, Weiterbildungszentrums Kartause Mauerbach, Prof. Dipl.-Ing. Dipl.Rest. Ralf Kilian, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dr. Johanna Leissner, Fraunhofer-Gesellschaft, Forschungsallianz Kulturerbe, Anna Martin, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Prof. Dr. habil. Heike Oevermann, TU Wien, Prof. Dr. Andreas Putz, TU München, Prof. Dr. Ingrid Scheurmann, TU Dortmund, DI Dr. Patrick Schicht, Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Niederöster- reich, Prof. Dr. Katja Sterflinger, Akademie der bildenden Künste Wien, Herwig Turk, bildender Künstler.

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